Am Dienstag, den 20 November 2018 findet der all jährige Transgender Day of Remembrance statt. Dieser Tag gilt den Opfern von Transphober Gewalt.
Auslöser für diesen Gedenktag war der Mord an einer afroamerikanischen Transfrau namens Rita Hester im Jahre 1998. Sie wurde in ihrer Wohnung erstochen und der Fall wurde, wie so oft, nicht aufgeklärt.
Seitdem zählt man Weltweit die Todesopfer. Im Jahre 2017 waren dies 325 Todesopfer. Zum Vergleich: Zwei Jahre davor im Jahr 2015 waren es 271. Die Tendenz ist stark steigend. Transphobie nimmt also deutlich zu und natürlich die damit verbundene Gewalt an Trans*Menschen.
Das Zynische dabei ist, dass die Dunkelziffer um einen riesigen Teil größer ist. Denn die meisten Todesopfer werden gar nicht benannt, weil sie in Polizeiberichten zum Beispiel mit dem falschen Geschlecht benannt werden und ganz krass: Die meisten Länder, (darunter auch Deutschland!) es gar nicht für nötig halten dazu Erhebungen zu führen.
Es gab also offiziell noch nie in Deutschland ein einziges Todesopfer. Dasselbe gilt, außer für Berlin, für andere Gewaltdelikte. Berlin ist derzeit in Deutschland die einzige Stadt in der Straftaten an Trans* und homosexuellen Menschen gezählt werden. Natürlich nur, wenn sich die Opfer überhaupt zur Polizei trauen. Was auch hier meistens eher unwahrscheinlich ist, denn Trans*menschen werden gesellschaftlich und institutionell marginalisiert, diskriminiert, pathologisiert und stigmatisiert.
Transsexualität gilt immer noch als “Geschlechtsidentitätsstörung”, siehe ICD-10. Dies wird bis mindestens 2022, wenn der neue ICD-11 rauskommt, so bleiben. Der ICD ist im übrigen der von der Weltgesundheitsorganisation hervorgebrachte “Krankheitenkatalog”, anhand diesem orientieren sich z. B. Ärzte. Wenn also eine Transperson zum Arzt geht, gilt sie von vornherein als psychisch gestört und wird auch dementsprechend behandelt.
Jeder Trans*Mensch kann davon ein Lied singen. Dazu gibt es das Transsexuellengesetz aus den frühen 80ern, wo schöne Dinge drinnen standen das Trans*Menschen sterilisiert werden müssen um neue Papiere zu bekommen. Dieser Eintrag und viele andere wurden aber dank vieler AktivistInnen weg-geklagt. Dennoch gibt es viele traumatisierte Menschen.
Man muss nicht viel Fantasie haben um sich vorzustellen was mit einem Menschen passiert der einen passenden Pass haben möchte und sich deswegen einer Geschlechtsangleichenden Operation unterziehen musste.
Sicherlich gibt es Trans*Menschen die dies sowieso anstreben, aber viele wollen dies eben nicht tun. Gerade bei Transmännern ist diese Praxis absolut unhaltbar, da die Operation sehr gefährlich ist und oft, entschuldigt den Ausdruck, aber zynischer gehts ja gar nicht mehr: “In die Hose gehen kann”.
Aber das ist noch nicht die einzige Institutionelle Gewalt die Transmenschen erfahren. Ihnen werden medizinische Behandlungen verweigert, wenn ein Cismensch (Begutachtungszwang durch “Ausgebildete” Akademiker) sie für “Nicht genug Trans” hält.
Es wird also immer böser. Ein Mensch, der keinerlei Ahnung hat wie es ist trans zu sein, entscheidet über die komplette Zukunft einer betroffenen Person. Eltern aus konservativen oder religiösen Kreisen sind für jugendliche Trans*menschen auch heute noch mehr Fluch als Segen. So entscheiden sie und nicht die betroffene Person ob eine Behandlung, und sei es nur eine Therapie, gemacht werden darf.
Viele Trans*jugendliche werden von Zuhause verstoßen oder verlassen ihre Familie um ein freieres Leben führen zu können, dann schnappt aber die nächste Falle zu und das Jugendamt wird für sie zuständig. Auch hier herrscht in der Regel keinerlei Kompetenz. Weder wissen die dort arbeitenden was Trans* überhaupt ist und wenn sie sich informieren greifen sie eben auf die katalogisierenden Daten zu, die WHO und selbsternannte “Experten” ihnen zur Verfügung stellen. Ein Teufelskreis.
Die ganze Problematik geht bis in die Jugendhilfeeinrichtungen, Schulen, Kindergärten usw. Ein Trans*mensch kann und wird seit Kindesbeinen dauerhaft ausgestoßen, traumatisiert, retraumatisiert und pathologisiert. Nur die wenigstens haben das große Glück in einem aufgeklärtem, oder zumindest aufklärungswilligen Umfeld aufzuwachsen.
Das sind nur einige Gründe warum zu viele Betroffene einen Schlussstrich ziehen: sie greifen zum Suizid. Eine neue US Studie hat ergeben das 50% (!!!) aller Transmänner schon versucht haben einen Suizid begehen. Bei Transfrauen ist die Quote etwas kleiner, aber ebenfalls erschreckend.
Die Gesellschaftliche Stigmatisierung, durch schlecht recherchierte und erarbeite Medienartikel, heuchlerischer und sensationslüsterner Boulevardjournalismus, wird kräftig befeuert. Da ist dann allzu oft die Rede von “Männern in Frauenkleidern”, Schimpfwörter wie “Transe” das benennen der alten Namen und die Reduzierung einer ganzen seelischen Problematik auf Geschlechtsteile.
Und um es noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Trans*sein ist KEINE Krankheit. Wir werden von der Mehrheitsgesellschaft – und auch die queeren Communitys können sich da mal an die Nase fassen – KRANK GEMACHT!
Das ist aber noch lange nicht alles.
Was müssen Menschen tun, die stigmatisiert und aus der Gesellschaft ausgestoßen werden?
Was tun, wenn man keinen Job bekommt?
Jeden Tag auf der Straße, in der Schule und bei den Behörden gemobbt wird?
Er oder meistens sie wird versuchen müssen trotzdem irgendwie zu überleben. Viele Trans*menschen, aber meistens Transfrauen, sehen sich irgendwann gezwungen ihren Körper zu verkaufen. Besonders die, die auch noch aufgrund anderer konstruierter Gründe nicht der “Norm” entsprechen: Menschen mit Migrationshintergrund, Leute aus “Bildungsfernen” Schichten, von Klassismus geprägten und Rassismen sind dazu noch ganz andere schreckliche Baustellen die das Leben als Trans*mensch verschlimmern.
In Berlin gibt es z. B. den sogenannten “Transenstrich” wo Transvestiten und Transmenschen ihre Körper verkaufen müssen um zu überleben. Das Leben einer “Straßenhure” ist sowieso schon geprägt von Gewalt, Geldmangel, Drogen um Durchzuhalten, aber Transmenschen haben es noch schlimmer: Denn sie kriegen meist noch viel weniger Geld für ihre Arbeit und sehen sich regelmäßigen Angriffen ausgesetzt.
Auch Ausgaben für Hormone wollen bezahlt werden! Eine Zusätzliche Belastung und da viele aus dem osteuropäischen Raum kommen, gehen sie aus guten Gründen weder zur Polizei, noch zu Ärzten. Die Angst vor weiteren Problemen ist schlicht zu groß.
Es gibt regelmäßige Angriffe von betrunkenen Männern mit Messern, Säureanschläge und jede Menge Beleidigungen und Prügel. Die Polizei interessiert sich dafür im (Ach so offenen und toleranten) Berlin einen Scheiss. Es gab natürlich Versuche die Polizei dazu zu bewegen mehr Präsenz zu zeigen und zu sensibilisieren, aber auch hier gibt es keinen Willen etwas an der Situation zu ändern.
Alles bleibt wie es ist.
Eine ganze Gruppe aus abertausenden, die Angst haben auf die Straße zu gehen.
Die von den Behörden verarscht werden.
Die von den Gesetzgebern ignoriert und marginalisiert werden.
Die von Ärzten pathologisiert werden.
Die als Freaks in den Medien vorgeführt werden.
Die von Freunden und Familien verlassen werden.
Die in den Suizid getrieben werden.
Die geschlagen, bespuckt und getötet werden.
Und diese Todes- und Gewaltopfer sind hierzulande noch nicht mal einer Statistik Wert.
Und auch hier bleibt mir auf den ganzen Wahnsinn nichts als mit Zynismus zu reagieren: Wir werden nicht gehört und unsere toten und verprügelten Brüder und Schwestern muss es ja tierisch gut gehen, denn im Paradies gibt es keine Verbrechen.
Deshalb wird es am 20.11.2018 um 19:00h an der Domsheide in Bremen den ersten offiziellen Transgender Day of Remembrance geben. Wir werden mit einer Kerze für jedes (Registrierte!) Opfer eine Kerze anzünden um auf die Situation von Transmenschen aufmerksam zu machen.
Mehr Details zu Ort und Zeit hier.
Wir bitten um Respekt und Sensibilität. Bitte bringt keinen Alkohol mit und hört einfach zu.
Wer sich zu den genannten Themen informieren möchte ist herzlich dazu eingeladen sich die folgenden Links durchzulesen: