Heute geht’s ums Geld: Wie finanziert sich der CSD Bremen? // Pläne, Gedanken und Wünsche rund um unsere Finanzierung.

Seit unserer Gründung 2016 stellt sich uns die Frage, wie wir uns eigentlich finanzieren. Da ich während der ersten beiden Jahre unseres Vereins Finanzvorstand war, hat mich diese Frage besonders beschäftigt.

Auf der einen Seite gibt es jede Menge rechtliche Vorgaben. Der Verein muss liquide bleiben, also immer seine Rechnungen zahlen können. Das klingt so selbstverständlich, aber wenn ein größeres Team alles organisiert, muss klar sein, unter welchen Voraussetzungen wer wie viel Geld ausgeben bzw. planen darf. Wir sind vom Finanzamt als gemeinnütziger Verein anerkannt. Dadurch sind Spenden an uns zwar absetzbar, aber an der Gemeinnützigkeit hängen wiederum eine ganze Reihe von Vorschriften.

Auf der anderen Seite gibt es grundsätzliche Überlegungen: Wie viel Kommerz wollen wir beim Bremer CSD? Je mehr Kommerz, desto – vermeintlich – einfacher fällt die Geldbeschaffung. Doch wollen wir die Nachteile in Kauf nehmen, die der Kommerz mit sich bringt?

Zum Kommerz

Im Gründungsteam war uns ziemlich schnell klar, dass wir keinen kommerziellen CSD in Bremen möchten. Kerngedanke unseres Handelns ist es von Anfang an, die Vielfalt der queeren Community zu zeigen und zu würdigen. Schon in unserer ersten Pressemitteilung haben wir geschrieben: “Die Besonderheit des CSD Bremen ist eine bewusste Entscheidung gegen einen total kommerzialisierten CSD und für eine Demonstration, in der auch kleine Gruppen eine Chance auf Aufmerksamkeit haben.”

Wenn zu viele Menschen mit Gewinnabsichten auf den CSD einwirken, verschieben sich die Prioritäten: Es geht dann primär darum, die “richtige” Zielgruppe so anzusprechen, sodass sie viel Geld bezahlt. Das fängt bei Tickets für die Mitfahrt auf einem Demo-LKW an und geht über Merchandise bis hin zu möglichst spektakulären Partys.

Das nächste Problem ist, dass gerade marginalisierte Gruppen häufig auch Probleme im Beruf haben. Daraus folgt, dass marginalisierte Gruppen auch weniger Geld haben, um z. B. eigene Strukturen aufzubauen und für die eigenen Rechte einzustehen. Das ist dann auch der Grund, warum wir vom CSD-Verein aus immer auch selbst LKWs für die Demo organisieren, die für strukturschwache Gruppen einstehen.

Ein Teil von Kommerzialisierung ist häufig auch Sponsoring: Eine Firma zahlt Geld dafür, um auf allen unseren Werbematerialien aufgeführt zu werden. Das ist auch erst verlockend, weil für solches Sponsoring teilweise beträchtliche Summen gezahlt werden. Doch wenn wir uns erst an dieses Geld gewöhnen, fällt es schwer, darauf zu verzichten. Und damit eine Firma einen Verein sponsert, müssen seine Botschaften und sein Handeln auch dem Sponsor passen. Es gibt aber genug politische Botschaften, die nun mal nicht angenehm sind und wo vielleicht keine Firma ihr Logo drunter sehen möchte.

Wir möchten bei der Formulierung unserer Forderungen nicht darüber nachdenken müssen, ob sie irgendwelchen Sponsoren passen.

Ein anderer großer Teil der Kommerzialisierung sind Tickets für die LKW-Mitfahrt. Auf anderen CSDs muss man für manche LKW teilweise bis zu 50,- EUR zahlen, um auf einem LKW mitzufahren. Daraus ergibt sich, dass (Party-)Veranstalter solch einen LKW als Gewinnchance verstehen und sich der LKW “rechnen” muss. Ein LKW auf einem CSD ist aber ein Teil einer Demonstration und sollte entsprechend auftreten. Hier sind insbesondere auch die gezeigten Botschaften wichtig.

Ticketpreise lassen sich unserem Verständnis nach nicht mit einer ehrlich gemeinten Demonstration vereinen, unabhängig davon, wie “gut” der Veranstalter es meinen mag.

Wie wir es stattdessen machen

Statt des Kommerz setzen wir auf Fördermittel, Teilnahmeumlagen und die Community.

Fördermittel sind so ein Thema für sich, aber wie du wahrscheinlich schon gesehen hast, haben wir für unseren CSD Bremen 2019 eine große Förderung von der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Häfen aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds erhalten. Durch die Fördermittel können wir schon einen großen Teil unserer Kosten decken.

Hinzu kommen die Teilnahmeumlagen (vgl. Umlagenliste 2019 (PDF)) von Demo-Teilnehmenden mit Fahrzeugen oder Musik.

Damit sich aber wirklich alle Kosten decken lassen, brauchen wir weitere Gelder. Dafür setzen wir auf freiwillige Spenden aus der Community. Das mag im ersten Moment wie “toll, die anderen zahlen’s schon irgendwie” klingen – aber nein: Freiwillige Spenden sind eine ganz andere Hausnummer als hohe Eintrittspreise, hohe Getränkepreise oder auch nur (hohe) Ticketpreise für die LKW-Mitfahrt auf der Demo.

Letztlich gelingt der CSD sowieso nicht ohne eine Vielzahl von Menschen, die ehrenamtlich am CSD-Tag mit anpacken. Auch die durchkommerzialisierten CSDs rufen jährlich zur Hilfe auf.

In Bremen braucht es allein über 40 Ordner*innen während der Demonstration. Hinzu kommen Menschen, die sicherstellen, dass alle Fahrzeuge und Fußgruppen in einer sinnvollen Reihenfolge starten, der Demozug flüssig durch die Stadt kommt, die sich mit der Polizei abstimmen und die die Ordner*innen einweisen. Hinzu kommt der Kundgebungsplatz, der sinnvoll aufgebaut werden muss, mit Strom & Wasser versorgt werden muss, die Bühne muss moderiert werden, die Redenden und Künstler*innen müssen betreut werden und rechtzeitig zur Bühne geholt werden. Es wird ein Backstage-Bereich gebraucht, in dem sich Künstler*innen vor- und nachbereiten können, das Team seine Sachen lassen kann und Material zwischengelagert werden kann. Das muss auch alles betreut und verwaltet werden.

Falls du mit Zeit helfen möchtest: Am 29.08. ist unser Helfer*innen-Treffen.

Der feste Kern des Orga-Teams 2019 besteht aus nicht mal zehn Menschen. Es klingt zwar einfach, weitere Menschen ins Team zu holen, doch die Neuen müssen eingearbeitet werden und die Orga-Strukturen kennen, bevor sie bei den organisatorischen Arbeiten wirklich helfen können. Es liegt nicht jedem Menschen, offizielle Gespräche mit Behörden und Ämtern zu führen, Pressemitteilungen zu schreiben, mit Technikern über das Bühnenequipment zu schreiben, politische Forderungen der queeren Community zu erarbeiten oder ähnliches zu tun.

Erfahrungsgemäß haben auch nicht sehr viele Menschen dauerhaft Zeit, in einem Verein aktiv mitzuarbeiten – und das ist auch völlig ok: Wir haben schließlich alle noch unser eigenes Leben und jeder hat eigene Wünsche & Vorstellungen davon, was sie*er machen möchte.

Wir brauchen Helfer*innen

Lange Rede, kurzer Sinn: Ohne eine Vielzahl von Helfenden am CSD-Tag selbst klappt es sowieso nicht. Eine Vielzahl von Helfenden findet sich nur, wenn der CSD an sich sinnvoll ist und auch als sinnvoll wahrgenommen wird. Wenn er aber von der Community als sinnvoll und förderlich wahrgenommen wird, finden sich auch Menschen, die statt Zeit auch Geld spenden.

Wir setzen deshalb darauf, einen sinnvollen und ehrlichen Bremer CSD zu organisieren. Wir wollen, dass der CSD Bremen eine Plattform für die queere Community aus Bremen ist. Es gibt schon jede Menge queerer Vereine in Bremen, die die unterschiedlichsten Menschen mit gemeinsamen Interessen zusammenbringen. Mit der Demonstration wollen wir diese Kräfte einmal im Jahr bündeln und gemeinsam zeigen. Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit erreichen, wie sie kein einzelner Verein erreichen kann. Deshalb ist auch die Kundgebung nach der Demonstration so wichtig: Nicht nur spektakuläre Bilder von großen Menschenmengen in der Bremer Innenstadt, sondern auch einen Platz, um Forderungen näher kennenzulernen und sich – z. B. bei den Infoständen der Vereine – in der Community zu vernetzen.

Klar, wir haben unsere Schwächen im Orga-Team und dieses Jahr ist z. B. insbesondere unsere öffentliche Kommunikation schwach gewesen. Doch wir geloben Besserung bei unseren Schwächen und glauben fest daran, dass genug Menschen an den gemeinsamen Bremer CSD glauben und mit anpacken.

Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das schaffen viele.

Friedrich Wilhelm Raiffeisen

Fazit

Das Feedback, das wir in persönlichen Gesprächen, in Teilnahme-Zahlen (2017: 5.000 Menschen, 2018: 8.000 Menschen), durch die Community-Veranstaltungen im Rahmenprogramm und letztlich auch in Zeit- und Geldspenden erhalten, zeigt, dass unser Weg der Finanzierung die ersten drei Jahre soweit gut funktioniert hat.

Wir sind unglaublich dankbar dafür, wie viele Menschen auf ihre Weise mitmachen. Als wir 2016 mit den ersten Planungen angefangen haben, hätten wir uns nicht träumen lassen, dass das alles so geil wird.

Danke.


Update (30.08.19): “Senator” zu “Senatorin” geändert.